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Mehrere Fragen rund um einen möglichen Nationalpark

Mehrere Fragen rund um einen möglichen Nationalpark

- Wie viel Fläche nehmen derzeit die nach dem Krieg gepflanzten Kiefern ein?
- Welcher Flächenanteil des Reichswaldes erfüllt derzeit schon die Anforderungen eines Naturschutzgebietes? Wieso erfüllt die restliche Fläche diese Anforderungen nicht?
- Gelten in den Niederlanden die gleichen strengen Auflagen für Nationalparks, oder wird dort gewirtschaftet?
- Wie sollen die Kiefernflächen zu Laubholz umgebaut werden, wie lange dauert das und wie wird dies finanziert, wenn Einnahmen aus dem Holzverkauf wegbrechen? In welcher Höhe werden hierfür Steuermittel zur Kompensation eingesetzt werden müssen?
- Welche weiteren Investitionen müssten zusätzlich noch zur Schaffung von Infrastrukturen (Verwaltung, Gebäude, Besucherzentrum, Toilettenanlagen und Ähnliches) getätigt werden? Aus welchen Mitteln wird dies finanziert?
- Welche Einnahmen (und in welcher Höhe) bringt ein Nationalpark zur Gegenfinanzierung ein?
- Welchen Einfluss hat die Ausweisung eines Nationalparks auf das Wegenetz? Werden Wege zurückgebaut und droht dann ein Betretungsverbot außerhalb der verbleibenden Wege?
- Welche weiteren Verbote wird es geben?
- Durch die großen Waldschäden (z.B. im Sauerland) wird in Zukunft die Holzversorgung knapper. Kann eine Stillegung diese Holznot noch weiter verschärfen? Wie wird man dies kompensieren können? Müsste dafür auf Holz aus den Tropen, Kaparten-Urwäldern und borealen Wäldern zurückgegriffen werden?
- Welche Auswirkungen sind auf (private) Nachbarflächen zu erwarten?

Antwort

Hallo Gast, vielen Dank für Ihre zehn Fragen, welche wir aufgrund der Detailtiefe gerne nummeriert und ausführlich beantworten. Für die etwas längere Beantwortungszeit bitten wir aufgrund des höheren Arbeitsaufwands um Verständnis.

 

1) Wie viel Fläche nehmen derzeit die nach dem Krieg gepflanzten Kiefern ein?

Laut der aktuellen Waldinventur (Forsteinrichtung 2019) gibt es auf rund 1.820 ha des Reichswaldes Kiefern. Hiervon sind rund 190 ha bereits vor dem Krieg im Reichswald gewachsen und zwischen 80 und bis zu 220 Jahre alt. Des Weiteren finden sich auf rund 310 ha Douglasie/Tanne und auf 210 ha Roteichen als nicht heimische Baumarten. Auf rund 400 ha befinden sich Fichten, welche nach der Borkenkäferkalamität überwiegend nur noch in der Verjüngung vorhanden sind.

 

2) Welcher Flächenanteil des Reichswaldes erfüllt derzeit schon die Anforderungen eines Naturschutzgebietes? Wieso erfüllt die restliche Fläche diese Anforderungen nicht?

Die Ausweisung von Naturschutzgebieten (NSG) liegt in der Zuständigkeit der Unteren Naturschutzbehörde und wird dort beurteilt. In den rund 5.100 ha des Reichswalds (inkl. Tiergartenwald) liegen aktuell rund 610 ha NSG-Flächen. Die übrigen Bereiche sind nach naturgemäßen Grundsätzen bewirtschafteter Wald und wurden bislang nicht förmlich unter Schutz gestellt. Sie besitzen aber das Potential, zu naturschutzfachlich wertvollen Flächen entwickelt zu werden.

 

3) Gelten in den Niederlanden die gleichen strengen Auflagen für Nationalparks, oder wird dort gewirtschaftet?

Sollte es zu einem grenzüberschreitenden Nationalpark kommen wird dies nur über zwei benachbarte Nationalparke in Deutschland und den Niederlanden umsetzbar sein. Über die möglicherweise bestehenden Unterschiede bezüglich des Schutzstatus und der wirtschaftlichen Nutzung kann nur in den Niederlanden entschieden werden.

 

4) Wie sollen die Kiefernflächen zu Laubholz umgebaut werden, wie lange dauert das und wie wird dies finanziert, wenn Einnahmen aus dem Holzverkauf wegbrechen? In welcher Höhe werden hierfür Steuermittel zur Kompensation eingesetzt werden müssen?

Diese Fragen können nur durch die konkrete Maßnahmenplanung im einem Nationalpark Reichswald beantwortet werden. Möglicherweise gibt es Bereiche im Reichswald, in denen die Kiefer belassen würde. Dort, wo durch waldbauliche Maßnahmen eine Umwandlung von Kiefern- zu Laubholzwäldern angestrebt wird, handelt es sich um eine Aufgabe, die Jahrzehnte dauern würde. Das eingeschlagene Nadelholz könnte über diesen Zeitraum weiterhin verkauft werden. Sollte die Kiefer ganz verschwinden und diese durch Eichen und Buchen ersetzt werden, müsste man je Hektar Kiefernfläche Kosten von 20.000 € bis 25.000 € über einen Zeitraum von ca. fünf Jahren ansetzen. Diese Kosten entstünden durch die Pflanzen (7.000 €/ha), die Pflanzung (5.000 €/ha) und die anschließend notwendige Pflege (3.000 €/ha) und den Schutz der Pflanzen (Zaun: 5.000 €/ha bis Einzelschutz: 10.000 €/ha). Die Pflege und der Schutz sind notwendig bis die Spitzen der jungen Bäume für das Wild nicht mehr erreichbar sind und aus dem Adlerfarn oder der Brombeere herausgewachsen sind. Die so anfallenden Kosten könnten teilweise, jedoch nicht vollständig aus dem Verkauf des eingeschlagenen Kiefernholzes gedeckt werden.

 

5) Welche weiteren Investitionen müssten zusätzlich noch zur Schaffung von Infrastrukturen (Verwaltung, Gebäude, Besucherzentrum, Toilettenanlagen und Ähnliches) getätigt werden? Aus welchen Mitteln wird dies finanziert?

Es ist zutreffend, dass eine Reihe an Investitionen im Rahmen einer Ausweisung als Nationalpark getätigt werden würden. Der Umfang der Investitionen ist dabei abhängig von der konkreten Gestaltung des Nationalparks. Die Landesregierung hat sich darauf verständigt, dass alle Kosten, die mit der tatsächlichen Ausweisung eines zweiten Nationalparks nach Durchlaufen des förmlichen Ausweisungsverfahrens zusammenhängen, durch das Land Nordrhein-Westfalen getragen werden. Weiterhin bestünde grundsätzlich die Möglichkeit für beteiligte Kommunen, Investitionen in die Stärkung der touristischen Infrastruktur zu tätigen. Es ist davon auszugehen, dass außerdem Fördermittel aus unterschiedlichen Quellen (Land, Bund, EU) herangezogen werden könnten.

 

6) Welche Einnahmen (und in welcher Höhe) bringt ein Nationalpark zur Gegenfinanzierung ein?

Ausführungen zu den Einnahmen und Ausgaben einer Nationalparkverwaltung finden Sie zum Vergleich beispielsweise in den Leistungsberichten des Nationalpark Eife). Neben den direkten Einnahmen sind die Mehreinnahmen im Tourismus und Gastgewerbe in die Überlegungen mit einzubeziehen. Diese kämen im Gegensatz zu den Erlösen aus dem Holzverkauf, welche aktuell durch den Landesbetrieb Wald und Holz erzielt werden, direkt der Region zu Gute.

 

7) Welchen Einfluss hat die Ausweisung eines Nationalparks auf das Wegenetz? Werden Wege zurückgebaut und droht dann ein Betretungsverbot außerhalb der verbleibenden Wege?

Die Dichte des Wegenetzes in einem Nationalpark ist in besonderem Maße von der Ausrichtung des Nationalparks und der Erfüllung seines Schutzauftrags abhängig. Das bisherige Wegenetz wird reduzierter ausfallen als bisher. Insbesondere in dem mindestens 51 % der Fläche umfassenden Prozessschutz-Bereich wird voraussichtlich ein Betretungsverbot außerhalb der Wege gelten. Es können jedoch explizit Bereiche ausgewiesen werden, in denen kein Betretungsverbot der Waldflächen gilt. Da Nationalparke ebenfalls über einen Bildungsauftrag verfügen, kann das Erleben der neu entstehenden Wildnis sogar explizit dazu einladen, sich in bestimmten Bereichen abseits der Wege aufzuhalten. Im Nationalpark Eifel wurde hierfür die Wildniswerkstatt Düttling ins Leben gerufen.

Bei der Erarbeitung der Zonierung und des Wegenetzes ist möglich, durch die Schaffung entsprechender Gremien in der Nationalparkverordnung ein Mitsprache- und Vetorecht der betroffenen Kommunen sicherzustellen. Hierfür wurde in der Eifel das Gremium des kommunalen Nationalparkausschusses geschaffen.

 

8) Welche weiteren Verbote wird es geben?

Welche Schutzbestimmungen in einem Nationalpark erforderlich sind, wird im Rahmen der Nationalparkverordnung und des Nationalparkplans erarbeitet und abgestimmt. Auch hier empfiehlt sich beispielsweise ein Blick in die Nationalparkverordnung des Nationalpark Eifel und dort in die §§ 14 - 17 für die Verbote, Unberührtheiten, Ausnahmen und Befreiungen.

 

9) Durch die großen Waldschäden (z.B. im Sauerland) wird in Zukunft die Holzversorgung knapper. Kann eine Stilllegung diese Holznot noch weiter verschärfen? Wie wird man dies kompensieren können? Müsste dafür auf Holz aus den Tropen, Kaparten-Urwäldern und borealen Wäldern zurückgegriffen werden?

Im Schnitt der letzten zehn Jahre werden im Jahr rund 15.000 Kubikmeter Holz aus dem Reichswald nachhaltig entnommen. Es wächst also mehr Holz zu, als genutzt wird. Davon entfallen 2.000-4.000 Kubikmeter auf die Brennholzproduktion. Diese würden sich, vor allem um den Anteil an Laubholz, deutlich reduzieren, da dieses spätestens mit der Ausweisung als Nationalpark nicht mehr eingeschlagen würde. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 wurden in Deutschland insgesamt 78,7 Millionen Kubikmeter Holz eingeschlagen. In NRW hat sich der Holzeinschlag in den letzten Jahren folgenderweise entwickelt: 2019: 7 255 683 m³, 2020: 15 053 444 m³, 2021: 19 288 213 m³, 2022: 11 748 540 m³. Außerdem interessant ist der Umstand, dass der Export von Rohholz aus NRW im Jahr 2022 konstant um ein Vielfaches höher ausgefallen ist, als der Import.

 

10) Welche Auswirkungen sind auf (private) Nachbarflächen zu erwarten?

Nach aktueller Rechtslage wird es keine Einschränkungen der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung auf angrenzenden Flächen geben. Bestrebungen hieran auf übergeordneter Ebene etwas zu ändern, z.B. durch die EU, sind nicht bekannt. Es sind daher keine Auswirkungen auf benachbarte Flächen zu erwarten.

 

Viele Grüße, das Moderationsteam

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