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Heißt Nationalpark nur "Nichtstun"?

Heißt Nationalpark nur "Nichtstun"?

Ich freue mich sehr über die Initiative für den Reichswald. Gerne wüsste ich mehr, was genau sich in den nächsten Jahren dann ändern wird.
1. Wie können wir als Besucher:innen, Spaziergänger:innen die Entwicklung der Natur, grob gesagt die Verwilderung des Waldes, wahrnehmen und erleben?
2. Braucht der Wald für seine natürliche Entwicklung nicht mehr Ruhezonen? Können alle Wege und Wirtschaftswege geöffnet bleiben?
3. Reicht Nichtstun als Maßnahme oder kann es auch positive Schutzmaßnahmen geben?
4. Ist es denkbar, dass es in einem Nationalpark Reichswald wieder mehr Heideflächen, Heidelbeeren, Walderdbeeren und Pilze gibt? Oder sind diese unwiederbringlich Opfer der Umwelteinflüsse geworden, z.B. durch den hohen Nitratgehalt des Regenwassers.
5. Ich selbst bin am Rand eines Kiefernwaldes in Franken großgeworden, ganz ähnlich dem Reichswald,und ich habe als Kind fast nur im Wald gespielt, bin auf Bäume geklettert. Heute sehe ich nie Kinder im Wald spielen. Kann das durch entsprechende Angebote des Nationalparks für Eltern, Kitas, Schulen geändert werden?
6. Welche Auswirkungen hat der Nationalpark auf die Entwicklung der Tierwelt? Wird das Insektensterben dort aufgehalten werden können? Werden SIng- und Raubvögel profitieren? Wird überhaupt die Artenvielfalt zunehmen?

Der Nationalpark wird vermutlich kein Paradies werden können? Aber kann man die positiven Auswirkungen für die Natur konkreter beschreiben?

Antwort

Hallo Gast, vielen Dank für Ihre sechs Fragenkomplexe.

 

zu 1) Das Naturerlebnis der Bevölkerung gehört ausdrücklich zu den gesetzlichen Aufgaben von Nationalparken. Ein Nationalpark steht daher grundsätzlich allen Menschen an 365 Tagen im Jahr kostenfrei offen und kann auf eigene Faust oder im Rahmen von geführten Touren erlebt werden.

zu 2) Die Dichte des Wegenetzes in einem Nationalpark ist in besonderem Maße von der Ausrichtung des Nationalparks und der Erfüllung seines Schutzauftrags abhängig. Das Wegenetz wird reduzierter ausfallen als bisher. Insbesondere in dem mindestens 51 % der Fläche umfassenden Prozessschutz-Bereich wird voraussichtlich ein Betretungsverbot außerhalb der Wege gelten. Es können jedoch explizit Bereiche ausgewiesen werden, in denen kein Betretungsverbot der Waldflächen gilt. Da Nationalparke ebenfalls über einen Bildungsauftrag verfügen, kann das Erleben der neu entstehenden Wildnis sogar explizit dazu einladen, sich in bestimmten Bereichen abseits der Wege aufzuhalten. Im Nationalpark Eifel wurde hierfür die Wildniswerkstatt Düttling ins Leben gerufen. Bei der Erarbeitung der Zonierung und des Wegenetzes ist es möglich, dass den betroffenen Kommunen in der Nationalparkverordnung ein Mitsprache- und Vetorecht zugesichert wird. Hierfür wurde in der Eifel das Gremium des kommunalen Nationalparkausschusses geschaffen.

zu 3) In §24 Bundesnaturschutzgesetz wurde festgelegt, dass Nationalparke Gebiete sind, die "sich in einem überwiegenden Teil ihres Gebiets in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand befinden oder geeignet sind, sich in einen Zustand zu entwickeln oder in einen Zustand entwickelt zu werden, der einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik gewährleistet." Der Reichswald würde sich also in einigen Teilen erst selbst in einen schützenswerten Zustand entwickeln oder dabei unterstützt werden müssen dies zu tun. Der Schutzzweck eines Nationalparks ist es, die Natur sich selbst zu überlassen. Hierfür wird es aufgrund der vielfältigen kulturellen Überprägungen in unserer Landschaft erforderlich sein, für einige Bereiche zunächst lenkend einzugreifen und grobe Ziel-Lebensräume festzulegen. Wenn diese definiert sind, kann die schrittweise Wiederherstellung der potentiell natürlichen Gegebenheiten eingeleitet und gegebenenfalls durch aktives Eingreifen unterstützt werden, sofern dies notwendig ist. Die jeweilige Nationalparkverwaltung führt diese im Rahmen des Nationalparkplans abgestimmten Schutz-, Entwicklungs-, Pflege- oder Waldumbaumaßnahmen durch.

zu 4) Heidelandschaften, wie sie beispielsweise im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft vorkommen, können mit entsprechenden Maßnahmen eingerichtet und erhalten werden. Die konkrete Gestaltung der Nationalparkflächen variiert je nach den konkreten Bedingungen im entsprechenden Nationalpark und wird jeweils in einer individuellen Nationalparkverordnung in den Regionen spezifiziert. Die Erstellung der Nationalparkverordnung wird dabei partizipativ vor Ort im Rahmen des Ausweisungseverfahrens erstellt und soll generell typische Merkmale der Region wiederspiegeln. Als Orientierung finden Sie hier die Nationalparkverordnung des Nationalpark Eifel.

zu 5) Da Nationalparke grundsätzlich auch einen Bildungsauftrag haben, würde es verschiedenste Umweltbildungsangebote für alle Altersstufen zum Thema Wald geben. Die Bildungskonzepte und Bildungsprogramme sollen Groß und Klein für die vielfältigen biologischen und ökologischen Zusammenhänge und die Schönheit der freien Natur begeistern und sensibilisieren. Auf diese Weise soll vermittelt werden, wie schützenswert und wertvoll die biologische Vielfalt in einem Nationalpark ist. Neben biologischen werden auch die kulturellen Aspekte von Biodiversität thematisiert, um die wichtige Bedeutung der Vielfalt von Ökosystemen und der genetischen Vielfalt herauszustellen. Die Bildungsangebote können neben Wildnis-Camps und Naturerlebnispfaden vor allem Führungen und Ausstellungen umfassen und bieten damit allen Besucherinnen und Besuchern – egal ob Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen – die Möglichkeit sich vertieft mit den Nationalparkthemen Wildnis, Artenvielfalt, usw. zu beschäftigen.

zu 6) Ausführungen zu verschiedenen Vorteilen eines Nationalparks wurden u.a. in dem Artikel "Nationalpark Eifel: Eine Erfolgsgeschichte für Mensch, Natur und Region" auf dieser Homepage zusammengestellt.

 

Viele Grüße,

das Moderationsteam

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